Madame d'Ora
Ausstellung in der Neue Galerie New York | 20. Februar 2020 – 04. Januar 2021
... mehr als eine Photographin – Madame d’Ora und die Geschichte von Ullstein
Der Autor des Beitrags mit der markanten Überschrift "Die d’Ora" stellt die Fotografin Madame d'Ora in der Ausgabe Die Dame vom April 1929 in den konkurrenzlosen Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Sicher auch als Resultat der Begegnung mit ihr beschreibt er voller Anerkennung ihre Kunst, ihre Fähigkeiten, ihr Durchsetzungsvermögen. Schon der Textanfang – flankiert von dem Selbstbildnis der Madame d'Ora mit Katze – kündigt folgende Besonderheiten an:
Diese d'Ora in Paris, die so schön die schönen Frauen photographiert, ist mehr als eine Photographin, sie ist ein geistvoller und guter Mensch. Auch ein mutiger Mensch. Wer es erlebt hat, wie die d'Ora vor wenigen Jahren ihr Atelier in Paris aufgebaut hat, gegen Wohnungsnot, Konkurrenz, Brotneid und alle die anderen kleinen und großen Ärgernisse, die einem feinnervigen Geschöpf das Leben verderben können, der muss Achtung vor dieser zarten Frau haben. Man möchte sagen, sie ist tüchtig wie ein ganzer Kerl. Aber da sie das Wort tüchtig nicht ausstehen kann, muss man ein anderes Beiwort für sie suchen. Also etwa: sie ist ein Genie des guten Geschmacks.
(Die Dame / Zweites Aprilhelft 1929, S. 11)
Diese Art der Hommage hat gute Gründe: das Berliner Verlagshaus Ullstein und Madame d'Ora verbindet eine intensive und entscheidende Publikationsgeschichte. Die Dame, die 1912 gegründete Zeitschrift aus dem Berliner Verlagshaus Ullstein, ist eine der bedeutsamsten Bühnen für den Auftritt der d'Ora-Fotografien. Allein die Ausgaben des genannten Jahres 1929 präsentieren zahlreiche Arbeiten im ganzseitigen Titelformat und gestalten redaktionelle Modethemen unter Überschriften wie: Kariert - groß und klein, Ein Hut in fünf Verwandlungen, Kleider aus Spitze, Für die Reise, Für das Wochenende, Musselin - Moiree, Satin - Chiffon oder einfach nur: Volants. Das komplette Repertoire einer Mode- und Portraitfotografin und Könnerin ihres Fachs wie Madame d'Ora wird in das Rampenlicht gerückt, und andersherum: die Fotografin kann ihren Spielraum voll ausschöpfen und ihre Möglichkeiten weiterentwickeln. Die Verortung des Ateliers in der Modemetropole Paris spricht von der Vermittlung neuer Trends an das zeitgenössische Berliner Publikum. Nicht nur die aufwändig bearbeiteten redaktionellen Grundthemen der Dame wie Reise, Lifestyle, Inneneinrichtung, Kunst oder Literatur setzen Standards. Auch die Folgeprodukte aus dem Haus Ullstein werden hier platziert. Wie naheliegend, am Ende einer Serie von Modefotografien die erfolgreichen Ullstein-Schnittmuster anzubieten. Wie naheliegend auch der Hinweis auf die Ullstein-Reisebüros und Reisedienste nach allerhand fotografisch inszenierten Reiseaccessoires.
Doch die Würdigung der Madame d'Ora aus dem Jahr 1929 zielt nicht nur auf den Stil und den Ausdruck der modernen Frau der Zwanziger Jahre, sie zitiert die Fotografin zum Kontext ihres eigenen Schaffens: Die Rolle des Berliner Fotografen Nicola Perscheid als Vorbild und die Bedeutung der Werke bildender Kunst. Dieser Blick auf den Ursprung bringt wiederum das verlegerische Umfeld bei Ullstein zu Bewußtsein. Denn hier wirkten zu dieser Zeit ein künstlerischer Beirat und wegweisende Mitarbeiter wie Kurt Korff und Kurt Safranski, die späteren Mitgestalter des LIFE Magazins und Mitbegründer der Fotoagentur Black Star – nach der Übernahme des Ullstein-Verlags durch ein verbrecherisches, nationalsozialistisches Regime in Deutschland und die notwendig gewordene Emigration in die Vereinigten Staaten. Als Chefredakteur und Geschäftsführer bei Ullstein in Berlin erarbeiteten Korff und Safranski wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung der Fotografie, für die unaufhaltsam zunehmende Bedeutung fotografischer Werke und weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten. Der Ausgangspunkt hierfür liegt bei so unterschiedlichen Zeitungs- und Zeitschriftenformaten wie Uhu, Der Querschnitt, Tempo, Berliner Illustrirte Zeitung oder Grüne Post. Zeitgleich mit Madame d'Ora arbeitete daher eine Reihe herausragender Fotografen für die Publikationen, teilweise mit exklusiven Verträgen für das zu dieser Zeit europaweit erfolgreichste Verlagshaus Ullstein, darunter: Elli Marcus, Cecil Beaton, Hugo von Erfurth, Yva, Mario von Bucovich, Erich Salomon, Martin Munkácsi, André Kertész, Zander & Labisch, Becker & Maaß, Emit Otto Hoppé, James Abbé, Suse Byk.
Die handschriftliche Widmung auf der d'Ora-Fotografie des Modeschöpfers J.C. d'Ahetze feiert den Chefredakteur Kurt Korff: "Le plus grand Directeur du plus grand Journal". In dieser Würdigung könnten sich der Unterzeichner d'Ahetze und die Fotografin Madame d'Ora nahe, wenn nicht sogar einig gewesen sein.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Neuen Galerie New York.
Der Ausstellungskatalog Madame d’Ora erscheint bei Prestel New York, mit Essays von Katrin Bomhoff, Christian Brandstätter, Jean-Marc Dreyfus, Monika Faber, Esther Ruelfs, Lisa Silverman, Magdalena Vukovic.
Den gesamten Bestand zu Madame d’Ora finden Sie bei www.ullsteinbild.de.
Fotos der Ausstellung und der Exponate sehen Sie in der folgenden Bildergalerie.
Exponate: ullstein bild collection
Innenaufnahmen: Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Galerie in New York – Fotografien von Hulya Kolabas